25  JAHRE  STADTTAUBENSCHLÄGE  IN  BASEL

 Stadttauben / Strassentauben.

Dieses Thema entspricht nicht den üblichen Themen auf www.flugtippler.ch. Ich persönlich finde die Strassentauben sehr interessante Tiere. Seit 1989 betreue ich in der Stadt Basel (CH) die Strassentaubenschläge. Die nachfolgenden Beobachtungen und Erfahrungen beziehen sich nur auf die Basler Strassentauben.  

Selten wird eine Tierart so geliebt und zugleich gehasst wie die Strassentauben. Dass sie so einen schlechten Ruf haben kommt davon, dass sie meistens in grossen Schwärmen auftreten. Sie sind teilweise auch recht zutraulich  und  hartnäckig wenn es um die Nist- und Schlafplätze geht. Das ist für das Überleben der Tauben aber sehr wichtig.

VON WO KOMMEN DIE STADTTAUBEN?

Es sind verwilderte Haustauben. Anfangs des 20 Jahrhundert haben sich immer mehr Haustauben zu „wilden“ Taubenschwärmen in den Städten gebildet, die dann als Stadttauben oder Strassentauben bezeichnet wurden. Ihre Vorfahren lebten in Taubenschlägen von  Stadtbewohnern und wurden nur zur Winterzeit, wenn eine geschlossene Schneedecke lag, von den Besitzern gefüttert. Die Taubenschlag-Besitzer hatten so fast immer Frischfleisch. Es wurden hauptsächlich die Jungtauben in der Küche verarbeitet. Um das Jahr 1930 soll das Taubenfüttern in der Stadt Basel ein hohes Sozialprestige genossen haben. (Haag 1998) In den letzten Jahren haben Schutzorganisationen, vor allem in Deutschland, immer wieder die Brieftaubenzüchter für den hohen Strassentaubenbestand in den Städten verantwortlich gemacht.  Sie behaupten, die Brieftauben, die nicht nach Hause finden, schlössen sich den Strassentauben an. Hinter dieser Behauptung möchte ich 2 grosse Fragezeichen setzen. In den letzten 25 Jahren habe ich in den 9 Basler Strassentaubenschlägen nur einige Brieftauben angetroffen, und die  nur für kurze Zeit. Ich gehe davon aus, dass es nur sehr selten vorkommt, dass eine Brieftaube in der Stadt für längere Zeit überleben kann. Das ist etwa so, als würde man eine Hochleistungsmilchkuh  auf einer Alp sich selber überlassen. Die kann dort auch nicht für längere Zeit überleben.

DIE STRASSENBTAUBENSCHLÄGE IN BASEL.

Wie schon oben erwähnt wurde, sind  die 9 Strassentaubenschläge zwischen 1989 und 1991 gebaut worden. 7 wurden auf Dachböden von Schulhäusern und 2 in Kirchen erstellt. Sie sind unter der Obhut des Tierschutz beider Basel. Man hat absichtlich auf Taubenhäuser verzichtet. Taubenhäuser sind zwar dekorativ, aber sie eignen sich nicht, um Strassentauben zu reduzieren, und das ist ja der Sinn der Strassentaubenschläge. In den Taubenhäusern haben nicht viele Tauben platz und man kann sie auch schlecht managen. Sollte man einige Tauben aus den Taubenhäusern heraus fangen, wird das sehr problematisch.  Auch das Reinigen wäre sehr kompliziert. Die Basler Taubenschläge haben eine Bodenfläche von 30–50 qm und eine Höhe von 200-220 cm.


Blick in einen Taubenschlag.

In den Schlägen befinden sich Nistzellen in der Grösse von B 40 T 35 H 35 cm, es sind immer 4 übereinander wie ein Regal. Die Regale sind so gestellt,  dass sich die  brütenden Tauben nicht sehen können.

  Zellenregal.

An der Decke und den Wänden sind Sitzstangen montiert. Hat ein Taubenpaar ein Nest gebaut und Eier gelegt, wird das Nest durch eine Nistschale aus Kunststoff ersetzt. In den Taubennestern können sich Parasiten gut verstecken, in den Kunststoffschalen ist das schwieriger. Die 2 Taubeneier werden durch 1 Kunstei ersetzt. Alle Kunsteier sind  mit einem schwarzen Strich markiert, so dass ich bei der Nestkontrolle gleich erkennen kann, ob es ein echtes oder ein Kunstei ist.

 
Kunstei mit Markierung.                  Verschiedenes Nistmaterial.

Die entfernten Eier werden immer gezählt, darauf komme ich später noch zurück. Die Schläge werden alle 10 Tage gereinigt, der anfallende Mist wird bei einem Bauern auf den Misthaufen gebracht. Die Mistsäcke werden zuvor noch gewogen, auch auf das komme ich später noch zurück. In den Taubenschlägen werden nur Taubensteine (Mineralien) gegeben, denn die Tauben werden von uns natürlich nicht gefüttert; wir wollen ja die Strassentaubenpopulation nicht noch fördern. Kurze Zeit nach der Eingewöhnung der Tauben in den Schlägen, sind die Rabenkrähen auch in die Schläge gekommen. Sie haben alle Eier, auch die Kunsteier, ausgeräumt, Jungtauben, die nicht fliegen konnten wurden von ihnen gefressen. Daraufhin wurden „Anti Krähentüren“ in den Einflügen montiert, und seitdem haben die Tauben ihre Ruhe.   

  
Anti Krähentüren.

TAUBEN; FÜTTERN IST TIERQUÄLEREI!

Diese Überschrift ist der Slogan der Basler Taubenaktion. Sie wurde 1988 von Prof. Dr. D. Haag-Wackernagel gegründet und bis heute wird sie von ihm geleitet. Nur ein Beispiel zum Text des Slogans: Vor einigen Jahren ist mir aufgefallen, dass auf dem Balkon einer Dachwohnung, die gegenüber eines Taubenschlages lag, immer Tauben auf dem Balkongeländer sassen. Der Grund war klar, dort wurden die Tauben gefüttert. Jedesmal wenn ich den Schlag reinigte, sassen mehr Tauben auf dem Geländer. Es waren  60 – 80 Stk. Fast alle Tauben trugen einen orangen Ring, das bedeutete, dass sie aus dem Schlag stammten. 80 % der Tauben in den Stadtschlägen sind mit Nummern und Farbenringen versehen. Einige Monate später, als ich den Schlag reinigte fiel mir auf, dass der Taubenfütterer wohl ausgezogen sein musste  denn  die Wohnung wurde saniert. Nun begann das Drama. Über Monate hinweg sassen Tauben auf dem Geländer und warteten vergeblich auf das Futter, das nicht mehr kam. Die Kotmenge im Schlag ging markant zurück, so auch der Taubenbestand. Es dauerte ca. 10 Monate bis kein Hungerkot mehr im Schlag war, und  sich der Taubenbestand wieder auf die alte Grösse eingependelt hatte.    Taubenfüttern ist Tierquälerei! 

DIE STRASSENTAUBEN SOLLTEN WIEDER FELDERN.

Finden die Strassentauben in der Stadt nicht genügend Futter, dann beginnen viele von ihnen zu feldern. Das bedeutet, sie verlassen am Morgen die Stadt,  suchen die umliegenden Felder auf und kommen erst zurück, wenn sie den Kropf voll haben. So wie sie es eben vor über hundert Jahren auch schon gemacht haben.  Ich habe Strassentauben auf  Feldern beobachtet, die über 14 km von ihren Schlägen entfernt waren (dank der Beringung). Das Feldern der Strassentauben erreicht man nicht, wenn sie in den Stadtschlägen gefüttert werden, wie es teilweise in den Städten der EU gemacht wird. Mir ist nicht klar, was die Verantwortlichen damit erreichen wollen. Die Folgen können fatal sein, das zeigt das Beispiel vom oberen Abschnitt (Balkonfütterer). Das Feldern hat sogar noch eine „positive“ Auswirkung: Fliegen die Tauben ausserhalb der Stadt, haben die Raubvögel die Möglichkeit sie zu schlagen. Das ist dann eine natürliche Reduktion. Vor über 15 Jahren haben Vogelschützer angefangen, Wanderfalken in den Städten anzusiedeln. Diese Raubvögel sollten die Strassentauben dezimieren. So haben es jedenfalls die Vogelschützer  der Stadtbevölkerung gegenüber begründet. Die Realität sieht allerdings anders aus. Statt Strassentauben zu schlagen, verursachen sie bei den Taubensportlern und Taubenzüchtern jährliche Schäden in Höhe mehrerer 100`000 sFr. Für diese grossen Verluste kommen die Vogelschützer leider nicht auf. Unter einem Wanderfalken-Nistkasten in einer Schweizer Stadt, werden jährlich in der Aufzuchtzeit der jungen Raubvögel zwischen 45 bis 80 Taubenkadaver eingesammelt. Die fast alle Fussringe haben, die von wertvollen Zuchttauben stammen. Unter diesen Kadavern befinden sich kaum unberingte Kadaver (von Strassentauben). Das beweist, dass die Raubvögel ihre Jungen mit Zuchttauben füttern und nicht mit Strassentauben, wie es der  Vogelschutz propagiert hat. Da die meisten Strassentauben sich in Häuserschluchten aufhalten, können sie von den Raubvögel  schlecht  gejagt  werden. Die Jagd ist für die Raubvögel viel zu gefährlich, wegen der Fahrleitungen und  anderen Drähte, die über die Strassen gespannt sind. Der Wanderfalke braucht bei seiner Jagd viel freien Raum und das hat er nun mal in der Stadt nicht. Soweit haben die Vogelschützer wahrscheinlich nicht gedacht. Was die Raubvögel bei den Rassentauben anrichten, können Sie unter www.flugtippler.ch  (Nachteil) ansehen.                  

DAS MANAGEN DER TAUBEN IN DEN STATDSCHLÄGEN

Anfangs Sommer werden alle Taubenschläge desinfiziert. Bei der Schlag-reinigung wird jedes Mal auch hinter den Nisregalen geputzt, wo immer sehr viele Federn und Federstaub zum Vorschein kommen. In diesem Gemisch hält sich natürlich gerne das Ungeziefer auf.  Aber durch die Desinfektion haben wir praktisch keine grossen Probleme mit Ungeziefer in den Schlägen. Wie schon erwähnt, werden die Eier durch Kunsteier ersetzt. Für wissenschaftliche Zwecke lassen wir in allen Schlägen einige Taubenküken schlüpfen. Die Jungtauben werden dann mit Ringen versehen, und ihre Daten werden im Computer gespeichert. Hier einige Daten, die man so ermittelt hat: Es ist keine Seltenheit, dass Tauben 10 Jahre alt werden. Die älteste Taube, die man tot gefunden hat, war 14 Jahre und 5 Monate alt. In einem Schlag lebt ein Täuber der im Herbst 2000 geschlüpft war. Er ist dominant rot und deshalb so gut erkennbar.  Der rote Täuber war übrigens noch nie verpaart, er ist ein Junggeselle. Viele Tauben sterben in den ersten 2 Jahren  Die toten Tauben werden von Prof. Dr. Haag- Wackernagel untersucht, und deshalb ist es wichtig, dass er das genaue Alter kennt.  Im Oktober/November werden die Bestände in allen Schlägen kontrolliert. Das wird immer abends spät oder morgens früh gemacht. Denn wenn es draussen noch dunkel ist, hat man die Gewähr, dass alle Tauben im Schlag sind. Als erstes achte  ich immer, ob alle Tauben stehen. Haben sie Probleme mit den Beinen/Zehen liegen sie auf dem Brustbein. Der Grund ist meistens, dass sich Fäden um die Zehen gewickelt haben. Diese Tauben fange ich und stecke sie in einen Socken, dass nur noch die Beine heraus schauen. Mit einer Schere schneide ich dann die Fäden  los. Bei dieser Kontrolle achtet man auch darauf, dass die Schläge nicht überbevölkert sind, das ist sehr wichtig. Die Tauben sollen sich in den Schlägen wohlfühlen und für Tauben die einen Nistplatz suchen soll  immer Platz vorhanden sein. Haben die Tauben  grossen Stress weil die Population zu gross ist, besteht die Gefahr, dass Tauben  den Schlag verlassen und das will man ja nicht. Dass eine Population in einem Schlag zu gross ist, erkennt man daran, dass nach der Brutzeit Tauben in den Nistzellen übernachten. Das bedeutet, dass keine Sitzplätze mehr frei sind. Dann ist es Zeit, dass einige Tauben herausgefangen werden. Beim Herausfangen bemühe ich mich, möglichst Täubinnen zu fangen. Die Täuber sind ihrem Brutplatz meistens treu und so holen sie neue Täubinnen aus der Stadt in die Schläge.  

 

 
Verschiedene ein und Ausflüge.

DIE GESUNHEIT DER STRASSENTAUBEN.

Seit ca. 100 Jahren versucht der Mensch die Strassentaubenpopulation zu dezimieren oder sie  auzusrotten. Trotzdem sind sie immer noch da. Damit will ich sagen, dass die meisten Strassentauben fit sind. Gute Paare haben im Jahr bis zu 10 Gelege. Wenn man überlegt, was sie im Vergleich mit den Rassetauben zum Fressen haben, ist das wirklich erstaunlich.  Denn immer wieder kann man in der Fachpresse lesen, dass die Rassetauben  nicht zu viele Gelege haben sollen, damit  sie sich nicht überanstrengen. Bei der Mauser dasselbe. Die Zuchttauben müssen geschont werden und bekommen spezielles Mauserfutter und noch viele Pülverchen dazu. Alles das kennen die Strassentauben nicht und sind trotzdem erfolgreicher als viele Zuchttauben. Die Gelege der Strassentauben  sind zu 99, 1/2  % befruchtet. Alles das deutet auf eine gesunde „Rasse“ hin !  Es gibt immer wieder Zeiten, in denen mehr oder weniger Strassentauben an Paramyxoviren sterben, aber nie der ganze Bestand in einem Schlag. Die Strassentauben sind  richtige ALLROUNDER !   

ZUM SCHLUSS NOCH EINIGE ZAHLEN.

Wie ich schon oben erwähnt habe, wird der Mist den ich aus den Stadtschlägen nehme gewogen und die entnommenen Eier gezählt. Aus diesen Zahlen hat sich eine Faustregel ergeben. Pro qm Schlagfläche, fällt im Jahr ca.  5,5 kg. Mist und 8,5 Eier an (das variiert natürlich von Jahr zu Jahr). Die 9 Schläge haben zusammen 270 qm. Für die ersten 2 Jahre gilt die Faustregel natürlich nicht, da war alles noch im Aufbau. Wenn man 23 Jahre rechnet, dann ergibt das ein Total von rund 34`150 kg. Mist und 52`780 Eier, die aus den Schlägen entsorgt worden sind. Mit dieser Massnahme werden die in den Schlägen lebenden Tauben reguliert.  

Walter Stettler CH Binningen www.flugtippler.ch

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